19. Metaphorik, Allegorik
Der ständige Bezug des Diesseits auf das Jenseits führt dazu, daß der barocke Stil sich in besonderer Weise durch uneigentliches und übertragenes Sprechen auszeichnet. Die Metapher ist dafür die häufigste Stilfigur. Sie entsteht nach der antiken Theorie aus einem abgekürzten Vergleich: ‚er ist so schlau wie ein Fuchs’ wird zu ‚er ist ein Fuchs’. Ausdrücke aus einem Bereich werden in einen anderen übertragen. Die gewöhnliche Sprache ist voll davon: der Fuß des Berges, der Redefluß, der Hafen der Ehe. Auch in den Poetiken werden sie empfohlen. Dabei kommt es durch Metaphernkombination oft zur paradoxen Ausdrucksweise: die ‚Liebesglut’ ist eine häufige Metapher; aber wenn der Verliebte sagt: ‚Dein heißer Mund kühlt meine Liebesglut’, dann ist das ein bewußter Verstoß gegen die Bildlogik (Katachrese). Die Allegorie ist eine erweiterte Metapher. Eine Hauptquelle sind die poetischen Bücher des Alten Testaments, vor allem die Psalmen. Die Allegorie vom Leben als gefährliche Schiffahrt, bei der man Schiffbruch erleiden oder in den sicheren Hafen Gottes gerettet werden kann, findet sich gerade in den Kirchenliedern häufig, aber auch in anderen Gattungen wie dem Epigramm.
Textbeispiel V: Friedrich von Logau (1604-1655)
Die Welt
Die Welt ist wie das Meer: ihr Leben ist gar bitter;
Der Teuffel machet Sturm, die Sünden Ungewitter;
Drauff ist die Kirche ein Schiff und Christus Steuer-Mann;
Sein Segel ist die Reu, das Creutze seine Fahn;
Der Wind ist Gottes Geist, der Ancker das Vertrauen,
Dadurch man hier kan stehn und dort im Port sich schauen.
Interpretationshinweise: Am Anfang erkennt man hier noch, wie sich die Metapher vom Meer des Lebens aus dem Vergleich mit „wie“ entwickelt. Dann aber werden systematisch alle Vergleichspunkte metaphorisch genutzt (Teufelssturm, Sündengewitter, Kirchenschiff) und zu einer stimmigen Allegorie zusammengesetzt.
Aufgabe 19
Erklären Sie anhand des Textbeispiels den poetischen Sinn einer Allegorie!