Das Verhältnis zwischen Bild und Text in den zwei(mehr)sprachigen Bilderbüchern

            Seit vielen Jahren steht das Untersuchen des verstehenden Lesens in nationalen und internationalen Kreisen im Mittelpunkt. Wie aber die Bilderbücher, konkreter: welche Ansprüche das Dekodieren der Bilder und ihre Verbindung mit dem Text gegenüber den Kindern stellen, ist ein weniger erforschtes Thema.

            Das Kennlernen der visuellen Kode beginnt wenn die Kinder in etwa neun Monate alt sind, wenn sie fähig sind einfache Gegenstände auf Bildern zu erkennen und einzuordnen. Dieser Prozess begleitet uns auf dem Weg des Erwachsenwerdens, eigentlich ein Leben lang. Diese letzte Feststellung bezieht sich insbesonders auf die Tatsache, dass ständig neue Mittel im Bereich der Informatik erscheinen, die Dekodierung deren visuellen Kodes erlernt werden muss. Neben dem erwähnten basalen Kod, der schon früh erworben wird, existieren universelle Kodes, wie zum Beispiel die Unterscheidung auf einem Bild zwischen Weit und Fern oder das Einschätzen von Ortsverhältnissen. Diese differenzierte Unterscheidung verursacht manchmal sogar für Erwachsene Probleme. Das Erkennen von interkulturellen Kodes bedeutet auch nicht immer eine einfache Aufgabe. Je näher die beiden Kulturen zueinander stehen desto einfacher ist die Aufgabe. Der einfachste und grundlegendste Unterschied ist die Abweichung der Schriftrichtung z.B. in den arabischen oder in den fernöstlichen Ländern im Vergleich zu unserer Schrift. Was bedeuten die Symbole schwarze Katze oder vierblättriges Kleeblatt? Kennt man den kulturellen Hintergrund nicht, lässt sich die ganze Aussage vom Bild und Text nur schwierig, wenn überhaupt erraten (Kümmerling-Meibauer, 2013:49).

            Im Falle eines Bilderbuches ergeben sich Text und Bild zusammen die volle Information. Bild und Text müssen nicht immer miteinander im vollen Einklang stehen, das Zusammenspiel von Bild und Text kann auf viele Art und Weise verwirklicht werden. Es kann vorkommen, dass was auf dem Bild erscheint, vom Text verbalisiert wird, aber es gibt Bilderbücher, in denen im Text eingebaute Lücken sind, die durch die Bilder ergänzt und vervollständigt werden. Nach Kress und van Leeuwen (1996) können wir über Multimodalität sprechen, denn wir werden gleichzeitig mit zwei Zeichensystemen konfrontiert, von denen wir alle zwei kennen müssen. Bilder haben eine visuelle Grammatik, also wir müssen nicht nur die einzelnen Bilder oder Symbole verstehen, sondern auch ihre Verbindung zu einander und ihre Rolle in der Interpretation des Bildes.

            Bild und Text, wie schon erwähnt, stehen miteinander in verschiedenen Beziehungen. Diese Beziehung kann kongruent oder übereinstimmend sein, so kann man sich mit Text und Bild alternativ befassen, sie können in komplementärer Beziehung zu einander stehen, also ergänzen sie sich, hier können sich beim separaten Betrachten und Lesen Gegensätze oder Doppeldeutigkeit entwickeln (Lewis, 2001, Thiele, 2000). Gerade diese Eigenschaften der Bilderbücher verhelfen zum code switching zwischen Bild und Text. Unter dem Begriff code switching verstehen wir, dass zwischen zwei Sprachen ein Wechsel, sogar binnen in einem Satz, passiert. Dieser Wechsel wird von den Kindern beim Bilderbuchbetrachten, während sie das Bild sehen oder sie den Text lesen oder er ihnen vorgelesen wird, fortwährend realisiert. Warum das wichtig ist? Laut Kress und van Leeuwen (2006:18): „die meisten Texte sind eine komplexe Einheit von Schrifttext und Bild oder von anderen graphischen oder phonetischen Elementen, die zusammengehören und als solche erscheinen.”