Bilderbücher im Spracherwerbsprozess

            Der Begriff literacy stammt aus dem Englischen, wird heute oft verwendet. Man kann über den Begriff im engeren Sinne lesen, in diesem Fall bedeutet er die Fähigkeit zum Schreiben und Lesen, im weiteren Sinne wird er als die Gemeinsamkeit von solchen Fertigkeiten und Erfahrungen aufgefasst, die sich auf die Erzähl-, Buch-, Bild-, Medien- und Schreibkultur beziehen (Näger, 1995, Petterson, 1994 und Buckingham, 2005 werden von Mehler−Weitkamp, 2013:316 zitiert). In diesem Sinne bereichert das Schaffen einer literarischen Umgebung schon im Säuglings-Kleinkindalter zu Hause die Kleinen mit zahlreichen, neuen Erfahrungen. Für Erwachsene ist es wahrscheinlich evident, aber Kinder eignen sich so, auf diese Weise das Blättern, das Halten eines Buches an, sowie die Tatsachen, dass man von links nach rechts liest, dass auch Texte Informationsträger sind und dass man meistens einen Text beim Anfang zu lesen beginnt.
            Das Blättern erscheint uns Erwachsenen als eine alltägliche, automatische Tätigkeit, doch dabei wird es vergessen, dass es eine komplexe Bewegung ist, und dass es die Entwicklung der Koordination zwischen den Augen und der Hand unterstützt und als solche ist es keine zu unterschätzende Übung für Kleinkinder. Schon Dreijährige sind in der Lage Symbole zu identifizeren und zu sagen, was sie bedeuten. Denken wir an die einfachsten, alltäglichen Zeichen, die die Aufmerksamkeit mit ihren typischen Erscheinungsformen von Supermarkt- oder Fastfoodketten auf sich lenken. Das ist die Situation, wenn wir mit Kindern Bilderbücher betrachten, sie merken die einzelnen Bilder und die dazugehörenden Wörter, Sätze. Kinder profitieren auf diese Weise aus einer, auch sprachlich stimulierenden Umgebung. In dieser frühen, mündlichen Phase der prä- und paraliterarischen Kommunikationsformen, wenn z. B. das Erzählen, Betrachten, Vorlesen, Singen, Zungenbrecher, Fingerspiele und Reime erscheinen und sie die Kinder mit der Unterstützung der Eltern zum Sprechen zum Sprech- und Spracherwerb motivieren. Diese frühen Lernprozesse funktionieren eben nie allein, sondern nur zusammen, in Kooperation mit Eltern, Großeltern, mit Personen, die man liebt, zu denen man Vertrauen aufbaute. Man fühlt sich geborgen, dazu trägt auch das Bilderbuch als Teilnehmer am Prozess bei, „der Gegenstand lädt sich emotional auf” und diese Situation beschleunigt den Lernprozess.

    Weitere Informationen für Interessenten über die neurobiologischen Hintergründe der Bilderbuchbetrachtung können von der vorhin angegebenen Seite entnommen werden. Die Wichtigkeit der Bilderbücher, ihrer Betrachtung und des Vorlesens weist über diese Zeilen hinaus in Richtung Schriftlichkeit. Hurrelmann (1994) betont, dass Bilderbücher und Vorlesen „Schaukelstuhl” zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit sind.