Navigation überspringen

3.1. Strategien in der Bewusstmachungsphase

 

Eine wichtige Strategie in der Phase der Bewusstmachung grammatischer Regeln ist, dass der Lerner die Regeln selbst entdeckt und formuliert. Die Bewusstmachung grammatischer Regeln ist eine wichtige Strategie, um eine Regel nachhaltiger im Gedächtnis zu speichern, vor allem wenn der Lerner sie selbständig erarbeitet. Die Lernpsychologie bestätigt, dass mehrere Spuren im Gehirn hinterlassen werden, wenn die Regelfindung mit einem größeren Lernaufwand verbunden ist. So ist davon auszugehen, dass der Lerner bei eigenständiger Erarbeitung die Regel nachhaltiger speichert.

Wie können wir diese Strategie ausprobieren? Das Erarbeiten von grammatischen Regeln kann gut mit Texten bewerkstelligt werden. Der erste Schritt ist die Suche nach einem geeigneten Text. Wir finden Texte u.a. in gedruckten oder digitalen Zeitschriften, in Büchern oder in Lehrwerken. Der Vorteil eines Textes ist, dass wir nicht nur sehen, wie die jeweilige Struktur gebildet ist, sondern auch, in welchen Kontexten sie vorkommt. Wir markieren im ausgewählten Text die betreffende grammatische Erscheinung und versuchen, eine Regularität festzustellen. Die selbständig erstellte Regel kann anschließend mit Regeln in Grammatiken verglichen werden.

Eine weitere Lernmethode zum Grammatikerwerb ist, sich die linguistische Metasprache also grammatische Termini einzuprägen. Wenn man wichtige grammatische Begriffe (wie z. B. „Wortart“, „grammatische Kategorie“, etc.) kennt, kann man Beschreibungen in Grammatiken besser verstehen und sich dadurch auch die betroffene Struktur leichter aneignen. Es ist lernerleichternd, dass einige Begriffe in verschiedenen Sprachen ähnlich sind, wie beispielsweise das Wort Verb auch im Englischen verb heißt.

Nicht nur der Vergleich von Wörtern, sondern auch der Vergleich grammatischer Strukturen in mehreren Sprachen kann als Lernmethode effektiv sein. Die Bewusstmachung von Unterschieden und Gemeinsamkeiten zwischen dem Deutschen und der Muttersprache sowie einer weiteren Fremdsprache kann gewinnbringend beim Sprachenlernen eingesetzt werden. Kennt man z. B. das im Ungarischen nicht vorhandene Passiv im Englischen, kann man diese Kenntnis zum Teil ins Deutsche übertragen. Lesen wir z. B. Kehlmanns Roman „Die Vermessung der Welt“ auf Englisch, erfahren wir über Gaus u.a. Folgendes:

Gaus was called since early youth „prince of mathematicians“.

Wir sehen, dass der entsprechende deutsche Satz eine ähnliche Struktur aufweist:

Gaus wurde seit früher Jugend „Fürst der Mathematiker“ genannt.

Die Ähnlichkeit der Passivstrukturen im Deutschen und Englischen ist als Lernhilfe wohl gut nutzbar, wenn man sich gleichzeitig Unterschiede in der Wortstellung und im Hilfsverb bewusst macht.