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7. Poetik

Barockdichtung ist gelehrte Dichtung. Es gibt viele Poetiken, die sich alle an der antiken rhetorischen Tradition orientieren, wie sie der Humanismus vermittelt hat. Auf Schulen und Universitäten war Poetik Lehrfach. Man konnte das Dichten lernen. Es handelt sich daher meist um praktische Lehrbücher. Dabei geht es nicht darum, eine neue Theorie der Dichtung zu entwickeln, sondern darum, die alte anerkannte Auffassung besser darzulegen. Wie auch in der Dichtung selbst strebt man nicht nach Originalität; man will vielmehr zeigen, daß man die berühmten Vorbilder kennt und versteht. Dieses Prinzip der Nachahmung (imitatio) der klassischen Muster wird auf die Barockliteratur übertragen. Das große Vorbild war die lateinische Poetik des Humanisten Scaliger (1484-1558), der sich wiederum auf Aristoteles und Horaz stützte. Alle Poetiken orientieren sich an der antiken Rhetorik. Zwischen Redekunst und Dichtkunst wird kein prinzipieller Unterschied gemacht. Dieser rhetorische Charakter der Dichtung verbindet die Barockzeit mit der humanistischen Tradition, aber auch noch mit der nachfolgenden Regelpoetik des Rationalismus.

Die früheste und wichtigste Barockpoetik ist das Buch von der deutschen Poeterey (1624) von Martin Opitz. Diese kleine Schrift wurde die Grundlage für alle späteren Dichtungstheorien; sie alle zitierten Opitz als entscheidende Autorität. Im Grunde hat Opitz selbst nichts Neues geschrieben, sondern nur die Grundsätze der Humanisten zusammengefaßt. Das Entscheidende dabei ist aber, daß er sich nicht auf lateinische, sondern auf deutschsprachige Dichtung bezieht. Opitz will die nationale Kultur und Sprache zu wissenschaftlicher und poetischer Selbständigkeit führen. Ein Hauptzweck seiner Poetik ist denn auch die Rechtfertigung der deutschsprachigen Dichtung. Das bedeutet aber nicht, daß die lateinische Bildung abgelehnt wird, im Gegenteil: sie ist Voraussetzung zum Verständnis der deutschen Barockliteratur. Das gilt schon sprachlich, wenn etwa Opitz in einem Gedicht die Geliebte ‚mein Leben’ nennt, was sich nur als Übersetzung von ‚mea vita’ bei Catull verstehen läßt, aber auch sachlich, wenn er sich mit einem Brunnengedicht auf die klassische Vorlage bei Horaz bezieht. Auch die Kenntnis der antiken Mythologie wird überall vorausgesetzt.

Aufgabe 7a

Erklären Sie den Charakter der Barockpoetik!

Aufgabe 7b

Erklären Sie die poetologische Absicht von Opitz!