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16. Roman

Der barocke Prosaroman vertritt die Epik; Versepik spielt dagegen kaum eine Rolle. Auch er hat drei Gattungen: heroisch-höfischer Roman, Schäferroman und Schelmenroman. Der heroische Roman hat Personal und Stilhöhe mit der Tragödie gemeinsam. Seine Helden sind Fürsten von edlem Charakter, die durch ihre ideale Beständigkeit (Constantia) sich in einer negativen Realität durchsetzen. Im Unterschied zur Tragödie nimmt der heroische Roman nämlich ein gutes Ende. Das hochgestellte Liebespaar kommt glücklich zusammen, was auch positive Auswirkungen auf Staat und Gesellschaft hat. Der vorbildliche Held kann durch Vernunft die gottgewollte Ordnung erfüllen. Die Struktur ist kompliziert, weil die von einem objektiven Er-Erzähler dargebotene Geschichte mitten in der Handlung (medias in res) beginnt, aber hauptsächlich in Rückblicken und Binnenerzählungen der Figuren mitgeteilt wird. Dadurch bekommt der oft sehr umfangreiche Roman etwas Labyrinthisches, um am Ende überraschender Weise doch noch den guten Ausgang zu finden. Es ist eine Art Theodizee: Sinnlosigkeit und Chaos sind nur scheinbar; dahinter versteckt sich ein göttlicher Sinn, den der Mensch aber erst vom Ende her erfassen kann. Als Unterarten kann man biblische und galante Romane unterscheiden. Der Schäferroman zeigt eine sinnliche Liebesbeziehung, die aber – im Gegensatz zum Schäferspiel – mit der Trennung endet, weil es eine falsche affektive und eben doch keine vernünftige keusche Liebe war.

Der Schelmenroman gehört nicht zur humanistischen Tradition der protestantischen Opitz-Schule, sondern stammt als Picaro-Roman aus der spanisch-katholischen Welt, woher er von dem Jesuitenschüler Aegidius Albertinus (ca. 1560-1620) im Dienste der Gegenreformation nach Deutschland gebracht wurde. Der Held ist ein Schelm, ein krimineller Vagabund, dessen Verhalten nicht zur Identifikation, sondern zur moralischen Abschreckung dient. Der soziale Außenseiter wird als Spielball der Fortuna in unterschiedliche Situationen gebracht. Die Realität wird als bloßer Schein entlarvt, der Held als schwaches Geschöpf. Am Ende steht nicht eine Verbesserung der Welt, sondern die Weltflucht des Helden. Aus dieser desillusionierten Perspektive kann er in Form einer Beichte sein Leben als abschreckendes Exempel erzählen. Im Gegensatz zum schlimmen Helden ist diese bekehrte Erzählperspektive des Ich-Erzählers, der selbstkritisch auf sein Sündenleben zurückblickt, vorbildlich. In der Spannung zwischen Ich-Erzähler und erzähltem Ich als Hauptperson liegen die ästhetischen Möglichkeiten der Gattung. Der Schelmenroman spielt in der Gegenwart, wodurch er, wie in Grimmelshausens Simplicissimus, zu einem realistischen Zeitbild werden kann. Allerdings behält er deshalb doch seinen allegorischen Charakter. Es ist kein psychologischer Roman, der sich für die innere Entwicklung des Helden interessiert, sondern eine Satire auf die Schlechtigkeit der Welt und die Verführbarkeit des Menschen.

Aufgabe 16

Erklären Sie die Unterschiede der Romanformen!